Ein Moses steuert den Kurs

Die AnfÀnge des Familienunternehmens

Am Anfang war ein Steg. Einer der ersten an der Schlei. Er war etwa 50 Meter lang, die Autobahn A7 gab es noch nicht. Es gab auch kaum Segler damals in Arnis, so kurz nach dem Krieg. Aber dass die Boote kommen wĂŒrden, daran hatte Ingo Jaich keinen Zweifel. Es war dieser sprichwörtliche Weitblick, der den GeschĂ€ftsmann kennzeichnete. Und der die Grundlage zu einem Unternehmen bildete, das heute neun Marinas, die „im-jaich wasserferienwelt“ mit ihren FerienhĂ€usern, dazu Hotels, Werften und rund 120 Mitarbeiter umfasst.

Bei allem Weitblick: So war das sicher nicht geplant, als Ingo Jaich als 15-jĂ€hriger Teenager seinen Seesack schulterte und bei Rickmers in Hamburg anheuerte. Mit der „R.C. Rickmers“ ging es wenig spĂ€ter von Bremerhaven auf Jungfernfahrt, und die fĂŒhrte den Moses gleich bis Shanghai. Nicht ohne sich zuvor „das Saufen abgewöhnt“ zu haben, bei einem wohl sehr dramatischen Kneipenbesuch im legendĂ€ren „Silbersack“ der Hansestadt. So will es jedenfalls die Familiensaga. Wie auch immer: Als Ingo Jaich 18-jĂ€hrig zurĂŒckkehrte, hatte er genĂŒgend gespart, um auf der Seefahrtschule sein A6-Patent abzulegen. Mit kaum 20 Jahren war Ingo Jaich seinerzeit der jĂŒngste KapitĂ€n Deutschlands.

 Laut Zeugnis war Ingo Jaich nun KapitĂ€n auf Großer Fahrt. Doch es kam anders: Um als junger Ehemann nahe bei der Frau zu sein, ĂŒbernahm er die FĂ€hre, die von Arnis hinĂŒber nach Schwansen fuhr. Sozusagen war er jetzt KapitĂ€n auf Kleiner Fahrt, auf sehr kleiner sogar. Seine Törns fĂŒhrten ihn wenig mehr als 200 Meter ĂŒber den Globus. Nebenbei begann er, Schiffe zu makeln und er handelte mit Bergungs- und Verkaufsrechten an Schiffen. Und Ingo Jaich begann mit Erdarbeiten. Der Aushub jener Tage passte anfangs noch via Schaufel in eine Schubkarre, sehr bald aber kamen Bagger dazu,  Drainagearbeiten wurden bewĂ€ltigt. Der besagte erste Steg an der Schlei entstand, immer mehr PfĂ€hle wurden gerammt, SpuntwĂ€nde hochgezogen. Das spĂ€tere, in der Gegend einzigartige BaugeschĂ€ft Ingo Jaichs mit hochspezialisierten Nassbaggerarbeiten nahm Gestalt an. Die ersten YachthĂ€fen wurden gebaut, noch im Fremdauftrag. Doch bald schon entstand der Yachthafen in Kopperby, wenig spĂ€ter folgte die Marina in Flensburg. Die Wende in der DDR fĂŒhrte zu einer weiteren, wesentlichen ZĂ€sur der Firmengeschichte.

Gleich nach dem Mauerfall setzte sich Ingo Jaich ins Auto und fuhr die KĂŒste ab. Eigentlich hatte er sich da schon zur Ruhe setzen wollen. Doch diese Möglichkeiten wollte er sich nicht entgehen lassen. „Die Wende hat seinen Unternehmergeist angefacht“, sagt Hans Jaich. Vor allem RĂŒgen hatte es ihm angetan. „Da ging es  ihm da wie mir“, erzĂ€hlt Till Jaich, „Als ich in den Neunzigern das erste Mal nach RĂŒgen kam, verliebte ich mich sofort in Putbus. Die Alleen, das klassizistische GebĂ€udeensemble am Circus, der Schlosspark, Theater – das hat mich ĂŒberwĂ€ltigt. Es war wie eine Metropole auf dem Land.“

RĂŒgen wurde zum Start ins große TourismusgeschĂ€ft. Wieder begann es – wie einst im Westen – auch im Osten mit einem Steg. Diesmal war es einer im Lauterbacher Stadthafen, dem idyllischen Ortsteil von Putbus direkt am Greifswalder Bodden. Ein Mitarbeiter wurde eingestellt, der ihn betrieb. Es wurden GrundstĂŒcke gekauft oder sondiert, auch jenes, auf dem sich heute die „im-jaich wasserferienwelt“ befindet. Von der Uferlinie bis hinĂŒber zum Badehaus Goor gab es nichts als Wasser. Die Bucht war ĂŒberschwemmt mit Heringsschuppen der nahen Fischfabrik. In der Endphase der DDR wurden hier zudem die AbwĂ€sser eingeleitet. Hinzu kam, dass Putbus – im Gegensatz zu den SeebĂ€dern – nicht im Fokus der Investoren stand. Außerdem waren da die ungeklĂ€rten EigentumsverhĂ€ltnisse: Ob das Land, die Stadt, die Treuhand oder ein privater Besitzer den Vertrag unterschreiben durfte, schien oft unklar. Mit anderen Worten: Man musste schon VisionĂ€r sein, um sich das alles aufzuhalsen. „Es war wie Sibirien. Keiner hat uns beneidet“, fasst Till Jaich die Situation zusammen.

Ingo Jaich ging die Probleme an, wie er gegen alle WiderstĂ€nde anging – mit dem Motto: Jetzt erst recht! „BedenkentrĂ€ger haben ihn eher ermuntert“, so Hans Jaich. Da waren zum Beispiel jene, die meinten, ein „Wessi“ wolle nur absahnen, aber nichts aufbauen. Ingo Jaich ist dafĂŒr (oder besser: dagegen)in vielen Gemeinderatssitzungen aufgetreten; er versuchte mit Taten, mit Worten, mit ganzer Person zu ĂŒberzeugen. Und, falls nötig, auch mit quietschenden Reifen: Um Putbus’ BĂŒrgermeister nach mehreren Terminabsagen endlich zu erwischen, stellte er ihn eines Tages auf der Straße. Die rasante Aktion ĂĄ la James Bond ĂŒberzeugte das Stadtoberhaupt, man kam ins GesprĂ€ch.

FĂŒr die ungeklĂ€rten EigentumsverhĂ€ltnisse setzte Ingo Jaich mehrere VertrĂ€ge auf, alle unter dem Vorbehalt spĂ€terer KlĂ€rung. Die Planung fĂŒr den Hafenbau – damals noch in einer alten NVA-Baracke – konnte vorangehen. Weitere Mitarbeiter wurden eingestellt, meist waren es ehemalige LPG-Bauern der Umgebung. Die stinkende Bucht wurde entschlammt und mit zig Tonnen Sand aufgefĂŒllt, spĂ€ter kamen noch einmal dutzende Tonnen Steine fĂŒr den Wellenbrecher hinzu. Weitere Stege entstanden, die ersten FerienhĂ€user. Getreidelager wurden zu Bootshallen umgearbeitet, der Hafen wuchs. Um die schwimmenden FerienhĂ€user statt auf dem Land auf ‘s Wasser setzen zu können, wurden sie kurzerhand zu Booten erklĂ€rt. Zu jener Zeit gab es zu solchen baurechtlichen Zwitterwesen noch keine eindeutigen Bestimmungen. Die schmucken Mini-Inseln waren die ersten dieser Art in der Republik, der architektonische Coup gelang und machte den Yachthafen schlagartig ĂŒber die Region hinaus bekannt.

Am 15. August 1997 schließlich erfolgte die feierliche Eröffnung des Yachthafens Putbus, der aus diesem Anlass in „IM Jaich Wasserferienwelt“ umbenannt wird. Das heißt – beinahe umbenannt. „Das KĂŒrzel IM hĂ€tte, zumal in der Ex-DDR, schlimme Assoziationen wecken können“, erzĂ€hlt Till Jaich. „Da machte mein Vater auf Rat eines Werbefachmannes daraus einfach die Kleinschreibung.“ Seitdem heißt es also: „im jaich wasserferienwelt“.

Ingo Jaich starb am 2011 an einer unheilbaren Krankheit. Viel Zeit, das Erreichte zu genießen, blieb ihm also nicht mehr. „Ach, genießen“, sagt Till Jaich, „er hĂ€tte sich sowieso nie zur Ruhe gesetzt.“ In diesem Sinne soll auch seine Firma weiterwachsen. „Ganz besonders auf dem Wasser“, sagt Till Jaich. Es sei schließlich „unsere Schublade“, die SpezialitĂ€t der Firma. Angeltouren, Kajakfahrten, Segeltörns, Schiffscharter, der Full-Service rund ums Boot samt ElektronikausrĂŒstung, dazu Segelkurse, die Bootsmotorwerkstatt, der Werftbetrieb, die Vermietung der FerienhĂ€user und Pfahlbauten – die so einzigartigen wie einschlĂ€gigen Angebote sollen nicht auf RĂŒgen beschrĂ€nkt bleiben. 

„Genauso wichtig ist es fĂŒr uns aber auch, dass wir die Firma konsolidieren, also das von unserem Vater Aufgebaute in seinem Erhalt stĂ€rken“, sagen die beiden Jaich-Junioren.

Vater Ingo Jaich konnte die Eröffnung der „im-jaich-Bauten in Bremerhaven noch miterleben. Als das Boardinghouse seine Tore öffnete, wurde eine SpezialitĂ€t serviert, die mittlerweile so etwas wie das Hausgericht der „im-jaich“-Firmen ist: Curryhuhn mit Wildreis und Mangochutney. Es war an jenem Tag zufĂ€llig genau 50 Jahre her, seit der Moses Ingo Jaich in Bremerhaven zu seiner Jungfernfahrt aufgebrochen war. NatĂŒrlich nicht ohne zuvor noch mal ordentlich zugelangt zu haben. Seine Essen der Wahl: Curryhuhn mit Wildreis und Mangochutney.